26. Oktober 2016

Argumente für Videoüberwachung

Der deutsche Innenminister bekennt Farbe. De Maizière spricht sich für eine deutliche Ausweitung der Videoüberwachung in Bahnhöfen und Einkaufszentren aus und kündigt hierzu einen Gesetzesentwurf an, der sich momentan in der Ressortabstimmung befinde. Dabei soll, so technisch realisierbar, über die bloße Videokamera hinaus auch Gesichtserkennung eingesetzt werden, also ein Abgleich mit Datenbanken. Grüne und FDP sind dagegen, von den anderen Parteien war noch nicht viel zu hören.

Die Argumente der Kritiker sind in folgendem Ausschnitt aus einer Presseerklärung des FDP-Politikers Kubicki von heute ganz gut zusammengefasst. Darin heißt es:

Wichtiger und effektiver wäre es, die bestehenden Gesetze zum Schutz der Menschen konsequent anzuwenden. Deren Vollzug hat stets Vorrang vor neuen Gesetzen. Wir brauchen eine erhöhte Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum, gezielte anlassbezogene Maßnahmen, eine enge Zusammenarbeit der verantwortlichen Sicherheitsbehörden und einen wirksamen Vollzug. Gefährder müssen gezielt überwacht werden, statt alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen.

Vielem kann ich mich durchaus anschließen, der Schlussfolgerung – Ablehnung der Pläne des BMI – allerdings nicht.
Was ist denn z.B. genau gemeint mit „bestehende Gesetze konsequent anwenden“? Passiert das nicht schon, oder wo sieht Kubicki hier Handlungsbedarf? So ist es nur eine Worthülse, mit der insinuiert wird, es gäbe einen viel einfacheren Weg, Sicherheit zu verbessern. Erhöhte Präsenz der Polizei; ja natürlich gerne, alle sind ja jetzt dafür, nicht alle schaffen die notwendigen Stellen (Polizei ist im Wesentlichen Ländersache). Nur, der Polizist auf der Straße kann nicht dasselbe leisten, wie Videoüberwachung (gleich mehr dazu). Blanker Unsinn ist es, wenn Kubicki fordert, dass Gefährder gezielt überwacht werden müssten. Wir haben im Moment ca. 500 erkannte sog. Gefährder allein in Deutschland, das sind Leute, die so extremistisch eingestellt sind, dass die Behörden ihnen einen terroristischen Anschlag zutrauen. Nehmen wir an, wir würden jedem von ihnen eine elektronische Fußfessel verordnen, die sie 24/7 tragen müssten (wir nehmen außerdem an, Grüne und FDP machten da mit). Dann bräuchten wir außerdem Beamte, die verfolgen, wohin sich die Gefährder gerade bewegen. Nehmen wir an, Gefährder A will sich eine Jeans kaufen und geht ins örtliche Einkaufszentrum, wird jetzt die Polizei losgeschickt, um zu gucken, ob er nicht einen Sprengstoffgürtel angelegt hat? Wenn nicht, was ist mit der gezielten Überwachung, die Hr. Kubicki fordert? Einer der Mörder des katholischen Priesters in Frankreich vor einigen Wochen hatte genau eine solche Fußfessel, aber es hat sich niemand darum gekümmert, wohin er so geht. Dann kann man es auch lassen. Am nächsten Tag will A mit dem Bus zum Bahnhof fahren, dasselbe Spiel und zwar möglichst schon an der Bushaltestation. Das Ganze mal 500, rund um die Uhr. Praktischer Vorschlag? Ich glaube nicht. Auf den Einsatz von Observation gehe ich gar nicht erst ein, der wäre noch viel aufwändiger.

Videoüberwachung in öffentlichen Räumen ist kein Allheilmittel, kein vernünftiger Mensch behauptet das. Es geht auch nicht darum, jeden Anschlag im Zuge der Ausführung zu verhindern, wie von Kritikern immer behauptet. Das wäre völlig unrealistisch. Sie kann aber Erkenntnisse erbringen, die sonst nicht möglich wären. In Berlin sind eine ganze Reihe von Schlägern bereits durch Videoüberwachung nachträglich identifiziert worden. Das sind noch keine Terroristen, aber irgendwelche Bekloppten, die andere angegriffen und zusammengeschlagen haben. Ich finde das ok, wenn man diese Leute findet. In Brüssel hatte sich einer der Attentäter nicht in die Luft gesprengt, sondern machte sich vom Flughafen zu Fuß zurück auf den Weg in die Stadt. Durch Videoüberwachung konnte dieser Weg nachvollzogen und der Mann verhaftet werden. Ein allein stehendes Gepäckstück verbirgt eine Bombe. Man wüsste schon ganz gerne, wer das abgestellt hat, usw. All dies kann normale Polizei auf der Straße nicht leisten. Wie soll sie erkennen, dass ihnen gerade der A entgegenkommt, der seinen Koffer vor zehn Minuten am Flughafen zurückgelassen hat? Dafür braucht man Videoüberwachung. Wenn der A aber festgenommen werden kann, liegt der Gedanke nicht sehr fern, dass weitere Anschläge damit verhindert worden sind. Das kann man nicht beweisen, auch so eine unmögliche Forderung der Kritiker. Vielleicht wäre er über Nacht zum Pazifisten geworden oder wäre von einem Betrunkenen überfahren worden, aber alle menschliche Erfahrung sagt einem, dass ideologisch motivierte Massenmörder wieder Anschläge begehen werden, wenn man sie nicht stoppt.

Meine Freiheit sehe ich dadurch nicht gefährdet, solange die Verwendung der Daten strengen Auflagen gehorcht und dies auch kontrolliert wird. Und das ist möglich in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik. 

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