Russland hat wirtschaftlich und gesellschaftlich große
Probleme, militärisch aber ist es stark, und es ist bereit, diese Stärke einzusetzen.
Für die NATO bedeutet das, dass es mit der Friedensdividende nach dem Ende des
Ostblocks vorbei ist. Wir müssen uns darauf einstellen, einen Konflikt mit
Russland zu führen, vor allem natürlich, um ihn eigentlich zu verhindern. Das
betrifft insbesondere das Baltikum.
Aufgrund der für die NATO wenig günstigen
Geografie sowie der derzeitigen tatsächlichen militärischen Kräfteverhältnisse
in Osteuropa, gehen Schätzungen davon aus, dass die NATO einen russischen
Angriff auf ihre baltischen Mitglieder mit konventionellen Mitteln derzeit nicht
nennenswert aufhalten könnte. Russland würde binnen weniger Tage,
möglicherweise Stunden die baltischen Republiken überrennen und Tatsachen
schaffen. Die große Frage dann ist, greift man jetzt auf die nukleare
Abschreckung zurück? Die Risiken wären so groß, dass ich es mir eigentlich nicht vorstellen kann. Ob die NATO als
funktionierende Organisation eine Preisgabe von Mitgliedsstaaten allerdings überleben
würde, ist andererseits wenig wahrscheinlich. Und auch die Konsequenzen eines
Auseinanderbrechens des Bündnisses wären so immens, dass man darüber lieber nicht
nachdenken möchte.
Man kann Vorsorge treffen. Das hieße a) Moskau die klare
Absicht zu kommunizieren, dass ein Angriff auf die Balten den Bündnisfall
auslösen würde, und b) dies durch die Bereitstellung entsprechender konventioneller
militärischer Fähigkeiten für den Ernstfall auch demonstrieren. Im Moment haben
wir diese Fähigkeiten nicht, um die Balten zu verteidigen. Sowohl politisch wie
militärisch können das aber nicht nur die USA alleine leisten, die ganze NATO
ist betroffen und muß zusammenstehen. Problem könnte sein, dass weder Politik
noch Öffentlichkeit in manchen Mitgliedsstaaten hierauf vorbereitet sind. Protest
wäre also wahrscheinlich. Der emotionale Hintergrund hierfür umfasst vermutlich ganz
unterschiedliche Aspekte, alte, die in die 80er Jahre zurückgehen und neue, die erst in letzter Zeit aufgetreten sind, z.B.:
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Lieber einem Konflikt mit Russland aus dem Wege
gehen, dann kann uns nichts passieren
-
Die Balten gehören eigentlich Russland, die NATO
hat dort nichts verloren
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Putin-Sympathie
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Antiamerikanismus
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Aufrüstung verhindert nicht Krieg, sondern macht
ihn wahrscheinlicher
-
Können wir unser Geld nicht besser (Flüchtlinge,
Infrastruktur usw.) ausgeben?
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Pazifismus
Wie stark die NATO wirklich ist, hängt neben rein
militärischen Fähigkeiten und dem politischen Willen der Regierungen in den Mitgliedstaaten
nicht zuletzt auch von der öffentlichen Meinung ab. Ich glaube, es gibt
Grund, hier etwas pessimistisch zu sein. Wichtig wäre es, sachlich und unaufgeregt die Situation zu vermitteln bzw. anzusprechen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Dies ist in erster Linie Aufgabe der Bundesregierung, daneben aber auch von Parteien und Medien. Angesichts der Entwicklung der Lage sind wir noch zu sehr im Dornröschenschlaf.
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