14. Mai 2016

Medaillen, weil es sonst nichts gibt

Die Russen haben betrogen, und zwar seit Jahren. Soviel war auch bisher schon klar, neu ist allerdings die generalstabsmäßige Planung und die kriminelle Energie, mit der das geschieht. Auf Anweisung der politischen Führung des Landes und unter Einschaltung des Geheimdienstes FSB wurden, glaubt man den neuesten Meldungen, russische Athleten systematisch gedopt und die Spuren danach genauso systematisch beseitigt. Diese Meldungen sind glaubhaft, denn sie passen gut zu dem, was wir schon bisher über Doping russischer Sportler erfahren haben.

Was mir echte Verständnisschwierigkeiten bereitet, ist die Frage nach dem Warum. Warum ist es so wichtig, den ersten Platz im Medaillenspiegel einzunehmen? Denn selbst, wenn die restliche Welt glauben würde, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist, die beteiligten Personen selbst – die Athleten, ihre Betreuer, die russische Führung – wissen ja, dass der angebliche Erfolg gar keiner war, dass sie nur durch Betrug gewonnen haben. Man ist also gar nicht so toll, wie man tut, denn sonst bräuchte man den Betrug ja nicht. Was ich also nicht verstehe, ist, warum dieses Wissen den Erfolg nicht völlig entwertet. Stolz, Zufriedenheit, Glück, von mir aus, setzen die Existenz dessen voraus, worauf man stolz usw. ist. Die Leute können doch nicht im Ernst auf eine Leistung stolz sein, die gar keine Leistung war. Ich bin doch auch nicht auf eine gekaufte Doktorarbeit stolz oder sind Menschen tatsächlich so schizophren?


Putin interessieren solche Feinheiten wahrscheinlich sowieso nicht. Ihm geht es nicht um Stolz, sondern um dessen Instrumentalisierung als Mittel der Herrschaftsstabilisierung. Es reicht, wenn die russische Öffentlichkeit glaubt, dass Russland ganz toll ist, es muss es nicht wirklich sein. Dies färbt dann auf ihre Zufriedenheit mit dem Regime ab. Mit Sport, mit freiem Wettbewerb, mit Fairness hat das also nichts zu tun, sondern nur mit der Machterhaltung eines Regimes, das glaubt, solche Mittel nötig zu haben. Auch nicht gerade ein Zeichen von Stärke. Armes Volk, das sich davon blenden lässt.  

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