Ein Abend in Neukölln, Flughafenstraße, meine Liebste und
ich sitzen auf einer Bank vor dem Restaurant Lava, essen ganz ausgezeichnete
„italienische Tapas“ und lassen das recht bunte Treiben auf Straße und
Bürgersteig auf uns wirken. Vor uns steht eine Flasche Rosé, schräg gegenüber liegt
eine Moschee. Davor steht eine Bundesflagge. Rechts muss irgendwo ein
türkischer Bäcker sein, denn gefühlt alle 60 Sekunden kommt jemand mit einem
frischen Fladenbrot für das Abendessen vorbei. Starker Verkehr in beide
Richtungen. Die größten Autos werden von Türken gefahren. Vom alten Flughafen
her, der vielen als Trainingsgelände dient, rasen Leute auf ihren, teilweise
sehr teuren Rennrädern mit 40 km/h den Berg runter. Das sind wieder Deutsche. Eine junge Frau
mit Kopftuch steuert ihren Mercedes
schwungvoll in eine Einfahrt und zückt ihr Smartphone. Fünf Minuten später
parkt sie genauso gekonnt wieder aus und braust davon. Ein vorbeigehender
Deutscher mustert uns verächtlich und spuckt vernehmlich aus. Ich vermute, er
hat uns an der Weinflasche im Kühler zutreffend als Protagonisten der
Gentrifizierung erkannt. Das am Nebentisch sitzende junge Paar bricht auf und
wünscht uns noch einen schönen Abend. Eine Frau, die aussieht als ernähre sie
sich vorwiegend von Crystal Meth versucht uns anzubetteln. Zwischendrin
türkische Väter, die mit ihren kleinen Kindern an der Hand die Straße rauf-
oder runterlaufen.
Volle Kanne Leben. Hier ist Berlin vital und authentisch, man
hat alles vom Junkie bis zum 3000,- Euro Rennrad, türkische Familien, die seit
vielen Jahren in diesem Kiez wohnen und neue Restaurants für ein junges, internationales
Publikum. Manche würden nörgeln, dass sie sich nicht mehr wie in Deutschland
fühlen (siehe die „Mitte-Studie“). Gerade diese Mischung aber macht diese Gegend für viele Menschen so attraktiv. Wer lieber Ruhe und gepflegte Vorgärten hat, sollte sich woanders umsehen, wer aber die Großstadt liebt, ist hier genau richtig.
An einer Hauswand in Neukölln |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen