15. Juni 2016

Brexit und Weimar

Der Brexit gewinnt an Fahrt. Mehrere Umfragen sehen einen Sieg der Befürworter voraus. Wenn es so kommt, würde zum ersten Mal ein Land aus der EU austreten. Mit diesem Beispiel vor Augen und der Wiederkehr des nationalistischen Denkens im politischen Mainstream würde es vermutlich nicht das letzte sein.

Wenn die EU nicht nur ein gewaltiger wirtschaftlicher Erfolg, sondern auch wirklich das große europäische Friedensprojekt der Nachkriegszeit ist, ist es erstaunlich, mit welcher Lethargie und Passivität diese Entwicklung hingenommen wird. Haben unsere Politiker den Blick für das große Ganze verloren? Sind sie in der Tiefe ihres Herzens nur noch an Umfragen, Wahlerfolgen und Posten interessiert? Obama hat sich vor einigen Wochen bei einem Besuch in London klar für den Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen. Immerhin, aber das war’s dann auch. Cameron ist ein Totalausfall. Aber auch Merkel, Hollande und all die anderen auf Vorsicht gepolten Politiker sehen einfach zu, angeblich weil sie Angst haben, dass eine Stellungnahme als Einmischung wahrgenommen würde.


Ja, einige würden das so sehen, vor allem die Befürworter des Austritts. Aber was auf dem Spiel steht, ist möglicherweise größer als die Frage, ob ein einzelnes Land dem Binnenmarkt angehört oder nicht. Es geht um ein friedliches, ein westlich orientiertes und ein schlagkräftiges Europa. Dafür kann man dann auch mal Engagement zeigen, sogar kämpfen, statt nur diese unsagbar banalen Phrasen abzusondern, wie „Wir respektieren die Entscheidung des britischen Volkes“. Unsere Ordnung – Europa, die Demokratie, der Westen – ist morsch geworden. Und das liegt nicht zuletzt an der Kleinmütigkeit derjenigen, die politische Verantwortung tragen. Sie sind offenbar nicht in der Lage oder willens, einem auch nur halbwegs entschlossenen Angriff von rechts standzuhalten. Ein totales Versagen. Weimar läßt grüßen. 

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