Der Brexit gewinnt an Fahrt. Mehrere Umfragen sehen einen
Sieg der Befürworter voraus. Wenn es so kommt, würde zum ersten Mal ein Land aus
der EU austreten. Mit diesem Beispiel vor Augen und der Wiederkehr des
nationalistischen Denkens im politischen Mainstream würde es vermutlich nicht
das letzte sein.
Wenn die EU nicht nur ein gewaltiger wirtschaftlicher
Erfolg, sondern auch wirklich das große europäische Friedensprojekt der Nachkriegszeit
ist, ist es erstaunlich, mit welcher Lethargie und Passivität diese Entwicklung
hingenommen wird. Haben unsere Politiker den Blick für das große Ganze
verloren? Sind sie in der Tiefe ihres Herzens nur noch an Umfragen, Wahlerfolgen
und Posten interessiert? Obama hat sich vor einigen Wochen bei einem Besuch in
London klar für den Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen. Immerhin,
aber das war’s dann auch. Cameron ist ein Totalausfall. Aber auch Merkel,
Hollande und all die anderen auf Vorsicht gepolten Politiker sehen einfach zu,
angeblich weil sie Angst haben, dass eine Stellungnahme als Einmischung
wahrgenommen würde.
Ja, einige würden das so sehen, vor allem die Befürworter
des Austritts. Aber was auf dem Spiel steht, ist möglicherweise größer als die
Frage, ob ein einzelnes Land dem Binnenmarkt angehört oder nicht. Es geht um
ein friedliches, ein westlich orientiertes und ein schlagkräftiges Europa.
Dafür kann man dann auch mal Engagement zeigen, sogar kämpfen, statt nur diese
unsagbar banalen Phrasen abzusondern, wie „Wir respektieren die Entscheidung
des britischen Volkes“. Unsere Ordnung – Europa, die Demokratie, der Westen –
ist morsch geworden. Und das liegt nicht zuletzt an der Kleinmütigkeit
derjenigen, die politische Verantwortung tragen. Sie sind offenbar nicht in der
Lage oder willens, einem auch nur halbwegs entschlossenen Angriff von rechts standzuhalten. Ein totales Versagen. Weimar läßt grüßen.
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