14. Juni 2016

IS, Trump und die Erosion liberaler Politik

Noch sind Erkenntnislage und Folgen des Anschlages von Orlando sehr im Fluss. Drei erste Bemerkungen sind aber möglich.

1) Anschlag des IS: Es ist egal, ob der Attentäter, Mateen, von der IS-Zentrale im Einzelnen gesteuert wurde oder nicht, es handelt sich auf jeden Fall um einen Anschlag des IS.
Dies liegt in der Strategie des IS begründet. Der IS ruft seit 2014 Muslime in den westlichen Ländern dazu auf, selbständig Attentate zu begehen. Sein Sprecher, Adnani, hat erst kürzlich diesen Aufruf zu Beginn des Ramadan wiederholt. Zudem feuert die IS-Popaganda täglich aus allen Rohren, um den Hass auf die „Kreuzfahrer“ zu schüren und zu Gewalttaten anzustacheln. Das von Mateen verübte Massaker ist also nicht nur allgemein im Sinne des IS, es ist genauso gewollt. Dementsprechend hat sich der IS auch in Windeseile zu der Tat bekannt. Demselben Muster folgt die Ermordung des französischen Polizeibeamten und seiner Frau in der letzten Nacht. Auch hier hat sich der IS bereits bekannt.

2) Trump im Aufwind: Diese Anschläge verändern nicht nur den Wahlkampf in den USA, sondern auch die Stimmungslage und in der Konsequenz vermutlich auch Wahlergebnisse in Europa. Die Unterstützung für Trump und seine simplen Lösungen wird wachsen, zugleich wird er immer radikaler. So hat er nicht nur sofort seine Forderung nach dem Einreisestop für alle Muslime in die USA bekräftigt, für ihn ist – und das interessant – der in New York geborene und komplett in den USA aufgewachsene Attentäter ein „Afghane“. Mit anderen Worten, Trump entwickelt einen Narrativ von echten Amerikanern auf der einen und bloßen US-Bürgern auf der anderen Seite. Schlimm genug, aus seiner Sicht, dass Moslems überhaupt in den USA leben bzw. die US-Staatsbürgerschaft bekommen, wer aber ausländische Wurzeln hat, kann niemals ein echter Amerikaner sein, sondern bleibt Afghane, Syrer, Nigerianer oder was auch immer. Damit dürfte er vielen aus dem Herzen sprechen, die sich bislang nicht getraut haben, diese Haltung zu artikulieren. Es ist gleichwohl rassistisches Denken, welches in seiner Konsequenz nahe legt, die falschen Amerikaner, Deutschen oder Franzosen aus der Gemeinschaft auszuschließen. 


3) Erosion der liberalen Mitte: Mit jedem Anschlag wird sich die Stimmung gegen Ausländer bzw. Muslime verhärten. Mit jedem Anschlag wird die Bereitschaft zu radikalen Lösungen wachsen, sei es bei der Einwanderungspolitik, sei es bei Gesetzesverschärfungen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung. Trump, AfD, FN, FPÖ werden jeden Anschlag nutzen, um noch härtere Maßnahmen zu fordern und die Kritiker ihrer Politik als weltfremde Gutmenschen zu diffamieren. All dies ist wiederum Wasser auf die Mühlen des radikalen Islamismus, der ja genau denselben Narrativ eines Kampfes zwischen Islam und westlicher Welt verfolgt, nur aus umgekehrter Perspektive. Es wird auf Seite der Muslime also zu noch mehr Entfremdung kommen, was dann zu noch mehr Radikalisierung und weiteren Anschlägen führt. All dies löst weitere Radikalisierung auf der Gegenseite aus. Am Ende haben wir den Konflikt, den der IS und Al Qaida und vermutlich auch Trump und Konsorten gerne haben wollen. Auf dem Wege dahin wird die liberale Mitte (etwa von den Grünen bis zur CDU) allmählich zerrieben werden. Jeder Versuch, Maß zu halten, wird als Schwäche dargestellt werden, jedes Bemühen, Eckpfeiler demokratischer Rechtsstaatlichkeit wie Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz zu bewahren, wird gegenüber dem Gebrüll nach schnellen, autoritären und tendenziell gewalttätigen Lösungen unterliegen. 

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