Noch sind Erkenntnislage und Folgen des Anschlages von Orlando
sehr im Fluss. Drei erste Bemerkungen sind aber möglich.
1) Anschlag des IS: Es ist egal, ob der Attentäter, Mateen, von der
IS-Zentrale im Einzelnen gesteuert wurde oder nicht, es handelt sich auf jeden
Fall um einen Anschlag des IS.
Dies liegt in der Strategie des IS begründet.
Der IS ruft seit 2014 Muslime in den westlichen Ländern dazu auf, selbständig Attentate
zu begehen. Sein Sprecher, Adnani, hat erst kürzlich diesen Aufruf zu Beginn
des Ramadan wiederholt. Zudem feuert die IS-Popaganda täglich aus allen Rohren,
um den Hass auf die „Kreuzfahrer“ zu schüren und zu Gewalttaten anzustacheln. Das
von Mateen verübte Massaker ist also nicht nur allgemein im Sinne des IS, es
ist genauso gewollt. Dementsprechend hat sich der IS auch in Windeseile zu der
Tat bekannt. Demselben Muster folgt die Ermordung des französischen
Polizeibeamten und seiner Frau in der letzten Nacht. Auch hier hat sich der IS
bereits bekannt.
2) Trump im Aufwind: Diese Anschläge verändern nicht nur den
Wahlkampf in den USA, sondern auch die Stimmungslage und in der Konsequenz vermutlich auch Wahlergebnisse in Europa. Die
Unterstützung für Trump und seine simplen Lösungen wird wachsen, zugleich wird
er immer radikaler. So hat er nicht nur sofort seine Forderung nach dem
Einreisestop für alle Muslime in die USA bekräftigt, für ihn ist – und das
interessant – der in New York geborene und komplett in den USA aufgewachsene Attentäter
ein „Afghane“. Mit anderen Worten, Trump entwickelt einen Narrativ von echten Amerikanern
auf der einen und bloßen US-Bürgern auf der anderen Seite. Schlimm genug, aus
seiner Sicht, dass Moslems überhaupt in den USA leben bzw. die
US-Staatsbürgerschaft bekommen, wer aber ausländische Wurzeln hat, kann niemals
ein echter Amerikaner sein, sondern bleibt Afghane, Syrer, Nigerianer oder was
auch immer. Damit dürfte er vielen aus dem Herzen sprechen, die sich bislang nicht getraut haben, diese Haltung zu artikulieren. Es ist gleichwohl rassistisches
Denken, welches in seiner Konsequenz nahe legt, die falschen Amerikaner,
Deutschen oder Franzosen aus der Gemeinschaft auszuschließen.
3) Erosion der liberalen Mitte: Mit jedem Anschlag wird sich
die Stimmung gegen Ausländer bzw. Muslime verhärten. Mit jedem Anschlag wird
die Bereitschaft zu radikalen Lösungen wachsen, sei es bei der Einwanderungspolitik,
sei es bei Gesetzesverschärfungen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung.
Trump, AfD, FN, FPÖ werden jeden Anschlag nutzen, um noch härtere Maßnahmen zu
fordern und die Kritiker ihrer Politik als weltfremde Gutmenschen zu
diffamieren. All dies ist wiederum Wasser auf die Mühlen des radikalen
Islamismus, der ja genau denselben Narrativ eines Kampfes zwischen Islam und
westlicher Welt verfolgt, nur aus umgekehrter Perspektive. Es wird auf Seite der Muslime also zu noch
mehr Entfremdung kommen, was dann zu noch mehr Radikalisierung und weiteren Anschlägen führt. All dies löst weitere Radikalisierung auf der Gegenseite
aus. Am Ende haben wir den Konflikt, den der IS und Al Qaida und vermutlich
auch Trump und Konsorten gerne haben wollen. Auf dem Wege dahin wird die
liberale Mitte (etwa von den Grünen bis zur CDU) allmählich zerrieben werden. Jeder
Versuch, Maß zu halten, wird als Schwäche dargestellt werden, jedes Bemühen, Eckpfeiler
demokratischer Rechtsstaatlichkeit wie Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Unabhängigkeit
der Justiz zu bewahren, wird gegenüber dem Gebrüll nach schnellen, autoritären und tendenziell gewalttätigen Lösungen
unterliegen.
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