7. Januar 2017

Deutsches Fernsehen ist für Imbezile

Ungeschützt, undifferenziert und vielleicht eine Spur ungerecht, trotzdem ich muss es sagen: deutsches Fernsehen ist scheiße, megascheiße. Da gab es zum Beispiel in den 90ern auf Sat1 eine Serie namens „Der Bergdoktor“. Medizinische Dramen – „wir haben maximal 48 Stunden Zeit für die Transplantation“ – , vorhersagbare Handlung und eine ordentliche Prise Kitsch, alles vor Postkartenkulisse. War ein riesiger Erfolg. So riesig, dass das ZDF, der Spezialsender für verlogenes Schmusefernsehen, seit 2008 ein Remake der Serie sendet, mittlerweile in der 9. Staffel. Oder nehmen wir das „Forsthaus Falkenau“, ein gütiger Förster, der mit viel Herz und Besonnenheit für Ordnung sorgt – 26(!) Staffeln. „In aller Freundschaft“, wieder eine Arztserie, diesmal um eine patente Truppe von Klinikärzten, ansonsten ähnliche Rezeptur – 20 Staffeln. „Um Himmels willen“, eine Schmunzelserie um einige gewitzte Nonnen im Clinch mit dem Bürgermeister, derzeit wird die 16. Staffel produziert. Usw. usw.

Was ist los mit diesem Land? Kann es den Menschen gar nicht harmlos und bieder genug sein? Muss sich immer alles in einer künstlichen Harmoniesauce auflösen? Gibt es eine ungute Sehnsucht nach moralisch reinen Führungsfiguren, die alle Probleme lösen? Geht es nur um Eskapismus auf niedrigstem intellektuellen Niveau? Die Fragen sind nur rhetorisch – Antwort ist: ja. Gibt es mal eine wirklich gute Serie, z.B. „Im Angesicht des Verbrechens“, findet sie kein Publikum und verschwindet verschämt im Nachtprogramm.


Und jetzt werfen wir einen Blick in die USA, dem Land, das uns angeblich kulturell so unterlegen ist. Von dort bricht Jahr für Jahr eine Flut teils herausragenden Qualitätsfernsehens über die interessierten Zuschauer nieder. Der böse Humor von „Seinfeld“, das politische Drama von „West Wing“, die fesselnden Milieu- und Charakterstudien von „The Wire“, die Intelligenz von „In Treatment“, die Selbstbefreiung durch das Verbrechen in „Breaking Bad“, die herzzerreißende Suche ganz alltäglicher Menschen nach Glück von „Transparent“ – und so weiter und so fort, es ist viel mehr als ich aufzählen kann, wer da noch dranbleiben will, muss Disziplin aufbringen.

In diesen Serien interessiert man sich für das Leben, für Menschen und für Fragestellungen. Es werden künstlerische Experimente gewagt. Man wendet nicht verschämt den Blick ab, wenn es um Gewalt, Sexualität oder die ganz alltägliche Banalität geht. Und sie sind intelligent, manchmal sehr intelligent, sie haben oft Humor, öfter mal von der schrägen Seite, und sind spannend erzählt. Was es nicht gibt sind Klischees, ausgelutschte Motive bzw. Handlungen und unechte Charaktere. Jede Serie eröffnet eine eigene, neue Welt, statt wie in Deutschland seit 30 Jahren ein ziemlich dümmliches Rezept in unendlich vielen Varianten anzubieten.



Ich könnte jetzt die üblichen Einschränkungen machen, aber es geht mir nicht um jede einzelne Serie, weder hier noch dort. Im Grunde ist dieser Post ein Stoßseufzer, und ein Appell. Es gibt so viele tolle Stoffe, auch für ein spezifisch deutsches Publikum, man mache endlich mal was draus. Aber dann, befürchte ich, ist das deutsche Publikum genau das tieferliegende Problem. Jeder bekommt das Fernsehen, das er verdient.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen