Andress behandelt die Entwicklung zum Terror etwa ab der tragikomischen
Flucht der königlichen Familie nach Varennes, über die Gewaltexzesse im Laufe
von 1792, die Einrichtung einer staatlichen Terrormaschinerie nach der
Guillotinierung Ludwigs XVI. und den Höhepunkt in der Phase der faktischen
Herrschaft des Wohlfahrtsausschusses bis hin zum schließlichen Sturz und Tod Robespierres
und seiner Verbündeten im Sommer 1794.
Das Buch ist gut gegliedert, zeichnet ein lebendiges Bild des revolutionären Frankreichs und vermittelt bei aller Detailfülle gut die großen Entwicklungslinien. Andress nimmt eine Perspektive ein, die einerseits klar auf Seiten der Revolution steht und dabei das Chaos und den Druck der Umstände, unter denen die Akteure handeln mussten, sorgfältig beschreibt und analysiert, andererseits den Abscheu und sogar eine gewisse Trauer über die Verbrechen, die die Verantwortlichen zur Sicherung der Republik meinten begehen zu müssen, nicht verbirgt. Aus meiner Sicht eine klare Lektüreempfehlung zu einem dauerhaft faszinierenden Thema.
Das Buch ist gut gegliedert, zeichnet ein lebendiges Bild des revolutionären Frankreichs und vermittelt bei aller Detailfülle gut die großen Entwicklungslinien. Andress nimmt eine Perspektive ein, die einerseits klar auf Seiten der Revolution steht und dabei das Chaos und den Druck der Umstände, unter denen die Akteure handeln mussten, sorgfältig beschreibt und analysiert, andererseits den Abscheu und sogar eine gewisse Trauer über die Verbrechen, die die Verantwortlichen zur Sicherung der Republik meinten begehen zu müssen, nicht verbirgt. Aus meiner Sicht eine klare Lektüreempfehlung zu einem dauerhaft faszinierenden Thema.
Ich habe bei der Lektüre – wieder einmal – besonders stark
auf die Person von Robespierre reagiert. Robespierre spielte in der Entwicklung
des Terrors bekanntlich eine zunehmend wichtige Rolle, war aber wirklich nicht
der Einzige, der den Terror für zwingend notwendig hielt und vorangetrieben hat. Mir ist
auch klar, dass meine Kenntnisse über Robespierre und die Zeit nicht
ausreichen, um ihn wirklich fair zu beurteilen. Gleichwohl muss ich
konstatieren, dass diese Figur in mir jedes Mal, wenn ich auf sie stoße, Hass und
Verachtung auslöst.
Warum? Es ist, glaube ich, die für ihn charakteristische Mischung
aus Fanatismus und Selbstgerechtigkeit, die ihn mir so unerträglich macht.
Robespierre scheint mit zunehmender Macht immer weniger fähig zu sein, geistig
einen Schritt zurückzutreten und seine Rolle, seine Entschlüsse und Urteile als
die eines Menschen unter anderen zu sehen. Im Gegenteil, es scheint, als sehe er
sich zunehmend als eine Art Verkörperung der Revolution und des Vaterlandes. Es
ist nicht nur, dass er Irrtum oder Zweifel nicht kennt, er ist auch der
Ansicht, dass jeder andere die Dinge genauso sehen müsste. Wer anderer Meinung
ist, ist daher eben nicht einfach nur anderer Meinung oder vertritt möglicherweise
sogar eine valide Ansicht, nein, es ist ein Verräter, ein Agent der
Gegenrevolution und verdient somit den Tod. Aus solcher Hybris wird der Dissens
anderer tatsächlich zum Kapitalverbrechen. Mehr noch, alles, die gesamte
Gesellschaft und das gesamte Leben des Einzelnen, haben sich der Revolution
unterzuordnen, und was das bedeutet, das sagt uns Robespierre. Nicht nur
Dissens, auch bloße Passivität ist nicht erlaubt. Dabei sind die Motive von
Robespierre überhaupt nicht zynisch, ihm geht es nicht einfach nur um blanke
Macht. Das wäre zwar auch eine Form des Verbrechertums, würde ihn aber etwas
menschlicher machen. Nein, der Unbestechliche hat sich tatsächlich für nichts anderes
als den Erfolg der Revolution interessiert und eingesetzt, der Typ war ein genuiner
Idealist, ihm ging es um die Sache, nur, was die Sache war, war für ihn
naturgemäß das, was er dachte.
Soweit ich das zu erkennen vermag, scheint er niemals auf
die Idee gekommen zu sein, dass gesellschaftliche Harmonie per Fallbeil nur oberflächlich
und artifiziell sein kann. Wenn es keinen König und keine Aristokraten mehr
gibt, wenn jeder Priester seinen Schwur auf die Republik geleistet hat, wenn
alle fleißig jeden Abend in ihre politischen Versammlungen gehen und alle dort dieselben
Meinungen vertreten, wenn sie zu den patriotischen Festen kommen und als große
Familie gemeinsam patriotische Lieder singen, wenn jedes Anzeichen von
Gegenrevolution, und sei es nur der Zweifel, dass es einen Gott gibt (für
Robespierre waren Agnostizismus und Atheismus Ausdruck aristokratischer
Verworfenheit), endlich ausgemerzt wurde, dann hat für Robespierre die
Revolution gesiegt und alles ist gut. Robespierre will mit aller Macht die
heile Fassade, er glaubt, dass die durch den Terror erzwungene äußere
Konformität das Zeichen für tiefe Harmonie ist. Dabei scheint ihm jegliche Sensibilität
dafür zu fehlen, dass es hinter der Fassade anders aussehen könnte, es sei denn natürlich, es handelt sich um verschlagene Agenten der alten Ordnung. Paranoia war eine seiner besonderen Stärken. Es ist nicht bloß,
dass ihm das Bunte, Vielfältige des Menschseins unheimlich ist, ich glaube,
ihm war nicht einmal so richtig klar, dass es so etwas überhaupt gibt.
Enthusiastischer Revolutionär oder Vertreter der Gegenrevolution, tertium non
datur. Seine Utopie, zu der es am Ende nicht mehr gekommen ist, ist in ihrem
Charakter nicht nur spießig, sie ist autistisch, in ihren Ergebnissen aber totalitär.
Solche Typen gibt es zu natürlich allen Zeiten. Meistens
bleiben sie ganz unauffällig. Manchmal aber kann man diese gefährliche Mischung
aus geistiger Enge, aus Selbstgerechtigkeit und völligem Unverständnis
gegenüber abweichenden Meinungen oder Lebensstilen bei anderen Personen spüren.
Menschen, die vielleicht etwas rechthaberischer sind als andere, die dazu
neigen, auch leise Kritik als persönlichen Angriff aufzunehmen oder die
generell wenig Verständnis für das Natürliche des Pluralismus haben. Menschen,
denen Skepsis, Offenheit und Großzügigkeit im Denken vollkommen fremd sind. Das
sind die potenziellen Robespierres oder ihre Unterstützer. Es gibt sie in allen
Lebensbereichen und auch auf allen Seiten des politischen Spektrums. Vor ihnen muss
man sich hüten, im günstigsten Fall sind es nur unangenehme und vielleicht etwas
dröge Zeitgenossen, in schlimmeren Fällen sind sie gefährlich. Vor allem, wenn
sie Macht ausüben können.
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