30. Januar 2016

Trends im Fernsehen: Ray Donovan (Staffel 1) und Transparent (Staffel 1 + 2)

Zwei Familienserien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Fangen wir mit dem an, was für mich in puncto Stoff, Ästhetik und Aussage mehr in die Vergangenheit des Fernsehens weist. Ray Donovan ist eine Serie über – genau – Ray Donovan (Liev Schreiber), der als sog. „Fixer“ für eine renommierte Anwaltskanzlei in LA arbeitet.
Die Aufgabe eines Fixers besteht kurz gesagt darin, Probleme zu lösen, die unkonventionelle Methoden erfordern. In der prosaischen Realität bedeutet das einfach Bestechung, Erpressung oder Gewalt, wobei simple Brutalität im Zweifel immer das Mittel der Wahl darstellt. Neben diesem Job kümmert sich Ray um die mannigfachen Probleme, die seine dysfunktionale Familie aufwirft, vor allem seine Brüder bzw. sein Vater (Jon Voight in einer Glanzdarstellung), der zu Beginn der Staffel nach 20 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird und nach einem Abstecher zwecks Ermordung eines Priesters (Warum ermordet man einen katholischen Priester? … Ja, richtig) nichts Eiligeres zu tun hat, als seinen Sohn heimzusuchen. Priester und Familienname signalisieren es bereits, die Donovans sind irischer Abstammung und kommen ursprünglich aus einem kleinbürgerlich-proletarisch-kriminellen Milieu in Boston. Rays weit vor Serienbeginn liegende Verlagerung nach Kalifornien sollte eigentlich ein Bruch mit dieser Vergangenheit sein, aber irgendwie haben die Donovans es geschafft, ihre von archaischen Gesetzen geprägte Bostoner Lebensform einfach komplett nach LA mitzunehmen. Whiskey spielt eine ebenso große Rolle wie Gewalt, zwischendrin die katholische Kirche, über allem steht die Familie. Loyalität in der Familie, bis zu den letzten Szenen der ersten Staffel ist das der eine zentrale Wert, um den sich die Handlung dreht. Dabei wird uns Folge um Folge mit der allergrößten Selbstverständlichkeit, ohne Gegenentwurf und ohne jede Ironie eine tribale Kultur präsentiert, die nicht nur im LA der Schönen und Reichen, sondern überhaupt aus der gesamten heutigen Zeit völlig herausgefallen wirkt. Auch die Hauptfigur führt uns dieses Ethos konsequent vor und müsste, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, eigentlich irgendwann daran scheitern. Ray Donovan ist eine Figur, die ganz schlecht darin ist zu reden, über Gefühle schon mal gar nicht, die aber Amok läuft, sobald Frau, Kindern oder Brüdern irgendwelche Gefahr droht. Schreiber legt seine Rolle dabei ähnlich an wie Daniel Craig James Bond. Eine unglaubliche physische Präsens, auf katatonische Weise maskulin, absolut beziehungsunfähig und natürlich viel zu borniert, um seine Wertvorstellungen und seine Geschlechterbilder jemals in Frage zu stellen. Die Fixpunkte dieser Serie bzw. ihrer Figuren, die Neigung, Probleme durch Fingerbrechen und Erschießen zu lösen, ihre schweigsame, alkoholgetränkte Männlichkeit, das alles erinnert oft mehr an einen reaktionären Western der 50er Jahre als an die Gegenwart. Trotz des Hochglanz-LA’s, das uns präsentiert wird, und trotz der guten Schauspielerleistungen ist das alles zutiefst anachronistisch und letztendlich auch ein wenig uninteressant. Allerdings, die Serie kommt offenbar ganz gut an, die dritte Staffel lief bereits in den USA und an einer vierten wird gearbeitet. Auf Basis der ersten Staffel glaube ich trotzdem, dass man sich in 10 oder 20 Jahren kaum noch daran erinnern wird.

Testosterongesättigte Männlichkeit: Liev Schreiber
By Joella Marano [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Kommen wir zum Gegenentwurf. Gerade im direkten Vergleich wirkt Transparent (Achtung Wortspiel!) so, als habe jemand endlich die Fenster aufgerissen und die ganze abgestandene Luft herkömmlicher Seriendramaturgie und klassischer Geschlechterrollen ist mit einem kräftigen Schwall frischer Luft rausgepustet worden. Im Mittelpunkt steht die Familie Pfefferman, Vater, Mutter – geschieden – und deren drei erwachsene Kinder. Die Serie, die übrigens auch in LA spielt, aber der Stadt nur ein amorphes Alltagsgesicht gibt, beginnt in Staffel 1 damit, dass sich der Vater, Mort (Jeffrey Tambor), ein Politologieprofessor im Ruhestand, entschließt, seinem jahrzehntelangen Sehnen nachzugeben und endlich öffentlich als Frau zu leben. Wir erleben also seine Verwandlung von Mort zu Maura, eine Verwandlung, die von Hoffen und Bangen, von Unsicherheit und Mut, aber vor allem von dem Willen geprägt ist, endlich zu sein, wer er/sie nunmal ist. Und auch wenn ich die Figur überhaupt nicht sympathisch finde, was übrigens mehr oder weniger für alle Charaktere der Serie gilt, sind dieser Wille zur Ehrlichkeit und zum Glück, ganz egal, was die anderen sagen, berührend und großartig. Diese tastende Suche nach einem glücklichen Leben ist der gemeinsame Nenner aller Hauptfiguren. Allerdings, muss man konstatieren, sind sie nur eben auch nur mäßig erfolgreich, sondern fallen öfter mal auf die Schnauze, zumeist aus eigener Schuld. Bleibt nichts anderes übrig, als aufzustehen und es erneut zu versuchen. Die Figuren und ihre Umstände mögen zuweilen gelinde überspannt sein, aber am Ende sind es doch ganz normale Menschen, denen man jederzeit begegnen könnte. Sie sind überhaupt nicht stark und schweigsam, sondern chaotisch und quasseln in einem fort. Sie sind hemmungslos ich-bezogen und suchen dann wieder das Glück in Familie und Partnerschaft, sei es hetero- oder homosexuell. Ziemlich oft sagen oder tun sie genau das Falsche, weil sie echt keinen Schnall haben, was im Moment gerade los ist. Für die Zuschauer ist das alles manchmal enervierend und andere Male anrührend, im Ergebnis sind es aber dadurch eben keine Abziehbilder wie bei Ray Donovan, sondern einfach leicht schräge, aber doch reale Menschen in ihrer ganzen grandiosen Kümmerlichkeit. Und das ist allemal interessanter als irgendwelche Männlichkeitsmänner.


Jeffrey Tambor alias Maura
Red Carpet Report on Mingle Media TV [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons


Ein ganz großes Lob also an Amazon, das hier definitiv nicht den Weg einer weichgespülten und strunzbanalen Serie für ein möglichst breites Publikum gegangen ist. Transparent ist für mich neben Mr. Robot (noch eine Amazon-Serie) mit das Interessanteste und Eigenständigste, was derzeit im Fernsehen entwickelt wird (allerdings steht bei mir noch Fargo aus). Schön, dass eine dritte Staffel bereits in Auftrag gegeben wurde. 

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