In meiner Gegend liegt die päpstliche Nuntiatur und daneben eine
Kirche, die Sonntags und an Feiertagen von sehr vielen Polen, oft ziemlich
aufgetakelt, besucht wird. Wenn ich bei solch einer Gelegenheit vorbeikomme,
denke ich mir: „Diese Trottel“.
Letzte Woche kam ich mit einem Kollegen ins Gespräch, der intelligent
und kultiviert ist, und es stellt sich heraus, auch er ist regelmäßiger
Kirchgänger. Hmm. Was soll man davon halten? Sieht er etwas, das mir
verschlossen bleibt? Habe ich geistige Scheuklappen auf? Ist mein Atheismus zu
einem blinden Dogma geworden? Alles möglich, doch bleibe ich erstmal auch in
seinem Falle bei der Meinung, dass er einem ziemlich bizarren Aberglauben
verfallen ist. Allerdings reagiere ich hier bei weitem nicht so harsch wie bei den
Polen, sondern seine Religiösität ist mir einfach fremd und im Grunde auch egal.
Was bringt mich also so sehr gegen diese armen polnischen
Katholiken auf? Es sind, ich gebe es zu, Projektionen ohne jegliche
Wissensbasis. Wenn ich diese Leute sehe, sehe ich einen Glauben, der vor allem in
Unterwerfung zu bestehen scheint. Ich sehe Leute, deren Retter, nach allem, was ich weiß, Mitleid
und Hilfe für Arme fordert, die aber im Mercedes ankommen und Pelze tragen.
Ich sehe Selbstgerechtigkeit von Gläubigen, denen es offensichtlich wichtig ist zu
beten und sich zu bekreuzigen, aber der Meinung sind, syrische
Bürgerkriegsflüchtlinge hätten in Europa nichts verloren. Ich sehe Menschen,
die Christentum ostentativ vor sich hertragen, aber überhaupt keine Christen
sind. Projektionen, ich weiß.
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