23. März 2016

Terrorismus und Flüchtlinge

Die Anschläge in Brüssel und ihre Vorgeschichte haben eine ganze Reihe interessanter Aspekte. Einer hat aber besondere politische Sprengkraft weit über Belgien hinaus, denn er hat direkte Implikationen auf die Flüchtlingspolitik. Rekapitulieren wir: einer der Attentäter von Paris im letzten November flieht nach den Anschlägen direkt nach Molenbeek.
Dort kann er sich vier Monate aufhalten, und zwar nicht nur in einem versteckten Raum praktisch ohne Kontakt zur Außenwelt, nein, er ist Teil einer Gruppe, die bereits die nächsten Anschläge vorbereitet (Ich nehme an, dass der Zeitpunkt der Anschläge durch die Verhaftung ausgelöst wurde. Die Sprengstoffgürtel lagen aber nicht zufällig bereit, die Gruppe war in Vorbereitung weiterer Massenmorde). Wie man liest, verlässt er auch die Wohnung, geht auf die Strasse, besucht einen Friseur usw. Mit anderen Worten, Salah Abdeslam hat sich in Molenbeek halbwegs sicher gefühlt. Und in der Tat, unter all den Menschen, die mit ihm Kontakt haben, die ihn sehen und helfen, oder die einfach mitkriegen, dass da irgendwas läuft (Nachbarn z.B.), kommt niemand auf die Idee, die Polizei einzuschalten. Mitten in einer europäischen Großstadt finden wir nicht nur ein paar einzelne Verbrecher, die sich verstecken, sondern gleich ein ganzes Milieu, dass sie trägt. Wir finden eine Parallelgesellschaft, die zwar in Westeuropa leben will, aber nicht bereit ist, hiesige Lebensweisen anzunehmen, sondern uns und diese Lebensformen gewaltsam bekämpfen will. Das scheint mir ein bemerkenswerter und etwas ominöser Umstand.

Welche Lehren ziehen wir jetzt daraus? Hier gibt es im Grunde zwei Schulen. Die erste bringt überspitzt Donald Trump zum Ausdruck, der sagt, schlimm genug, dass wir Muslime schon hier haben, wir lassen aber auf keinen Fall noch mehr von ihnen ins Land. Auf Europa angewandt, würde das bedeuten, Stop der Flüchtlingsaufnahme, vermehrte Abschiebung und mglw. auch die Abschaffung des freien Personenverkehrs sowieWiedereinführung von Grenzkontrollen, um eben zu verhindern, was tatsächlich Realität ist, nämlich dass die offenen Grenzen auch von Terroristen genutzt werden. 

Die andere Schule sagt, das ist nur Scheinpolitik. Erstens, wir haben natürlich bereits sehr viele Migranten hier. Die Attentäter aus Molenbeek waren zweite oder dritte Generation. Das sind Staatsbürger, die wir nicht einfach rausschmeißen können. Zweitens, wir können jetzt nicht den Binnenmarkt wegen Terrorgefahr wegwerfen, das wäre völlig verrückt. Und zuletzt, wir sollten nicht vergessen, wie unser Handeln in den Narrativ des Gegners aufgenommen wird. Mit die erfolgreichste Antiterrormaßnahme der USA hatte nichts mit Drohnenangriffen oder Guantanamo zu tun, sondern mit Hilfe, nämlich mit der sehr umfangreichen Soforthilfe für Indonesien nach dem Tsunami. Hier lässt sich beim besten Willen nicht von einem Krieg gegen den Islam sprechen. Nehmen wir jetzt Bilder wie den toten Jungen am Strand oder durchnässte Flüchtlinge vor einem Zaun. Diese Bilder sind mächtig, aber leider in der falschen Richtung. Sie suggerieren nämlich, dass das reiche Europa keinen Platz für Menschen hat, die vor Bomben fliehen. Warum nicht? Weil es Muslime sind, so wird das jedenfalls aufgenommen. Aus solchen Überzeugungen kommt Hass, und aus Hass kommt Gewalt. 

In der Politik muss man immer sehr viele, oft gegenläufige Überlegungen berücksichtigen. Klare Lösungen gibt es nur selten. Aus Sicht der Terrorbekämpfung jedoch scheint mir der Weg nicht in Abschottung und Ausgrenzung zu liegen, sondern genau im Gegenteil, in Aufnahme und Integration. Die muss dann allerdings auch funktionieren.

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