Nazis waren diejenigen, die eine genozidale Ideologie vertreten, einen Weltkrieg begonnen, einen Völkermord an den europäischen Juden verübt, einen Vernichtungskrieg gegen Russland geführt und mittendrin von ihnen als behindert empfundene Menschen systematisch in deutschen Anstalten vergast haben. Das sind Nazis. In einer sekundären Bedeutung des Wortes kann man diesen Begriff auch auf solche Leute anwenden, die all das gut finden und ausgesprochen oder implizit ähnliche Ziele vertreten. Keine Nazis sind: Nationalkonservative, Antidemokraten, Rechtspopulisten oder Nationalisten. Diese Kategorien durcheinanderzuwerfen ist erstens unpräzises Denken und verharmlost die Nazis zweitens nur.
Jetzt zum Inhalt. Sascha Lobo scheint ernsthaft zu glauben,
dass ein Staat in, sagen wir, AfD-Hand – also mit einer AfD-Mehrheit im
Bundestag – in irgendeiner Weise darauf angewiesen wäre, was in früheren
Legislaturperioden beschlossen worden ist. Das ist Quatsch. In Polen oder der
Türkei kann man gerade sehr schön sehen, dass die jeweiligen Machthaber ganz
unabhängig von dem, was frühere Regierungen getan haben, ihr antidemokratisches
Programm einfach durchziehen. Die sind nicht darauf angewiesen, dass da
irgendwas vorbereitet wurde, die machen das einfach. Und damit stimmt bereits
die Prämisse der ganzen Argumentation nicht mehr. Das tieferliegende Problem
sind die technischen Möglichkeiten, die es heute gibt und die demgemäß auch Diktatoren nutzen können, nicht die Einführung
einer m.E. recht moderaten Vorratsdatenspeicherung o.ä.
In seinem Furor wirft Lobo allerdings alles, was ihm
irgendwie in die Argumentation passt, in einen großen Topf und zieht dann
dramatische Schlüsse. Türkei, Trump, de Maizière, alles eine Soße. Da wird dann
die Kritik des Innenministers, zu der er in einem freien Land jedes Recht hat, an
einem Beschluss gleich zu einer „Attacke“ auf das Bundesverfassungsgericht. Damit
aber nicht genug. Einige Zeilen später fährt Lobo fort: Ein von de Maizière entzahntes
Bundesverfassungsgericht würde
einem Innenminister Björn Höcke ausgezeichnet ins Konzept passen, die
Überwachungsbefugnisse hervorragend gegen diejenigen verwendet werden können,
die Höcke als "Staatsfeinde" betrachten möchte (meine
Hervorhebung). Häh, was ist denn jetzt los? Müssen wir jetzt alle einer Meinung
sein? Ist Kritik an Beschlüssen eines Gerichts nicht mehr erlaubt? Und ist
diese Kritik jetzt schon gleichbedeutend nicht nur mit einer „Attacke“, sondern
einer veritablen Kompetenzbeschneidung? Bei allem Respekt, Lobo ist
hysterisch, und das hilft überhaupt nicht seinem Anliegen.
Auf eine Frage bleibt Sascha Lobo die Antwort
schuldig, nämlich: welche Befugnisse sollten Sicherheitsbehörden mit Blick auf
die Technik unserer Zeit haben. Es ist vermutlich auch nicht in seinem Sinne,
dass die Nachrichtendienste sozusagen im Zeitalter der Briefpost stecken bleiben,
während Jihadisten, oder andere längst Messengerdienste mit automatischer Verschlüsselung nutzen. Lobo hat da eine etwas kavalierhafte Einstellung, die sich z.B. in
diesem Satz äußert: In Frankreich hat
Präsident Hollande die schärfsten Überwachungsgesetze erlassen und den
"Notstand" zur staatlichen Dauernormalität werden lassen, weil, ach,
Europameisterschaften. „Ach, Europameisterschaften“? Der Mann hat offenbar
nicht den geringsten Schimmer, welch ein Albtraum solche Veranstaltungen für Politik
und Sicherheitsbehörden sind. An der Bereitschaft von Terroristen, möglichst
viele Menschen auf möglichst brutale Weise zu töten, sollte er jedenfalls nicht
zweifeln. Hinterher zu sagen, die Sicherheitsbehörden hätten versagt, weil irgendeiner
der Täter vor drei Jahren schon mal aufgefallen ist, ist dann natürlich einfach.
Man hätte ihn ja einfach drei Jahre lang lückenlos überwachen müssen (nur nicht mit technischen Mitteln). So wie die anderen
drei- oder viertausend.
Damit will ich nicht sagen, dass alles dem
Sicherheitsgesichtspunkt untergeordnet werden soll. Auch dort ist manches
hysterisch, vor allem in den USA. Aber die öffentliche Sicherheit ist nicht nur
ein legitimes Anliegen, es ist staatliche Kernaufgabe. Auch unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts.
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