1. Juli 2016

Die "Blockwart-App"

In Berlin gibt es jetzt eine App des Ordnungsamtes, mit der man Ordnungswidrigkeiten von Nacktjoggen (ich wußte nicht, dass das  ein Problem ist; ich habe in meinem Leben noch keinen Nacktjogger gesehen) bis Falschparker melden kann. Zeitungen und Leserbriefe sprechen, wie nicht anders zu erwarten, von der „Petz-App“ und der Aufforderung zu Denunziantentum. Es werden Vergleiche zur DDR gezogen.
Hmm, okay. Ganz so einfach finde ich es nicht. Ein Beispiel, wie zigtausende in Berlin bin ich viel mit dem Fahrrad unterwegs. Ideal für alle ist es, wenn auf der Straße eine Spur für Fahrräder vorgesehen ist, Fahrradfahrer sind gut sichtbar, werden aber vom Autoverkehr getrennt. Schön wär’s. Viele Autofahrer nutzen diese Fahrradstreifen gerne als praktische Parkmöglichkeit. Ergebnis, Fahrradfahrer müssen in den fließenden Verkehr ausweichen, was oft ziemlich gefährlich ist, oder einfach komplett stoppen.
Hier fände ich ein wenig mehr Rücksicht, und wenn das zuviel verlangt ist, etwas mehr Verfolgungsdruck eigentlich ganz schön. Illegale Müllentsorgung ist in Berlin auch so ein Problem. Immer wieder finden sich alte Fernseher, Sofas oder andere Dinge plötzlich mitten auf dem Gehweg. Hundescheiße ist das nächste. Viele Hundebesitzer haben inzwischen Tüten dabei, es gibt aber auch noch viele andere, die das nicht weiter interessiert. Öffentliches Urinieren – jetzt von Menschen – kenne ich aus keiner anderen Stadt, nur in Berlin kann man das immer wieder beobachten. Sagt man bei solchen Gelegenheiten etwas, und sei es noch so freundlich, wird man in der Regel wüst beschimpft, z.B. als Nazi oder Arschloch.

In Berlin ganz normal. Foto von stadtradler-berlin.de (leicht bearbeitet)
Bei solchen Dingen ist für mich das Problem die ursprüngliche Handlung und nicht das Dagegen-Wehren. Ich finde auch nicht, dass es Denunziantentum ist, wenn man irgendwann den Glauben an die Einsichtsfähigkeit und Bereitschaft zur Rücksichtnahme verliert, sondern ein Vergehen einfach meldet. Niemand wird schließlich gezwungen, auf dem Fahrradstreifen zu parken oder an Hauswände zu pissen. Außerdem erlaubt die App auch die Meldung von Dingen ganz ohne Anschwärzen, wie defekte Ampeln oder Schlaglöchern.


Zwei Dinge missfallen auch mir. Einmal erlaubt es die App, Vergehen anonym zu melden. Ich finde, dass sich Bürger offen begegnen sollten, und dazu gehört auch, dass man eine Ordnungswidrigkeit mit Namen und Erreichbarkeit meldet. Und zum zweiten hätte ich die App auf Ordnungswidrigkeiten bzw. Probleme beschränkt, die gravierend sind. Warum Spätis gemeldet werden müssen, wenn sie mal eine halbe Stunde länger auf sind oder diese angeblichen Nacktjogger, entzieht sich auch meinem Verständnis.

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