13. Juli 2016

Klimawandel und Sicherheit

Vor einigen Wochen wurde ich gefragt, ob ich einen Artikel für Le Monde Diplomatique zu den sicherheitspolitischen Auswirkungen des Klimawandels schreiben wolle. Daraus ist nichts geworden, nachdem sich herausstellte, dass vor einem Jahr an selber Stelle genauso ein Artikel bereits erschienen war, der jetzt einfach nochmal abgedruckt wird. Ich habe also nach einer guten Woche Recherche die Arbeit an dem Artikel wieder abbrechen müssen und mich wieder meinem Standardthema Terrorismus zugewandt.

Zwei Beobachtungen, die ich in dieser kurzen Zeit machen konnte, haben mich aber beeindruckt:

1) Ganz egal, wie bescheuert uns die Diskussion in den USA zu diesem Thema oft erscheinen mag, es gibt eine Institution, die bereits seit mindestens 10-15 Jahren den anthropogenen Klimawandel und dessen sicherheitspolitische Relevanz als unumstößliche Tatsache akzeptiert, und das sind die US-Streitkräfte.
Pentagon wie Streitkräfte selbst haben eine Reihe von Strategiepapieren veröffentlicht, in denen genau dies expressis verbis festgehalten wird und die entsprechenden Schlüsse daraus gezogen werden. Die kontroverse politische Diskussion des Klimawandels, insbesondere seitens republikanischer Seite in den USA, findet genau zero Resonanz bei den Militärs und wird mit dem trockenen Hinweis abgefertigt, dass man nicht warten könne, bis man 100% Sicherheit habe, denn dann sei es leider zu spät. Es zeigt sich wieder einmal, dass die nüchternsten Realisten nicht in der Politik zu finden sind, sondern beim Militär. Inzwischen sind laut einer Direktive des Pentagon alle Regionalkommandos verpflichtet, bei sämtlichen Planungen und Entscheidungen die Klimaerwärmung und ihre Folgen mit zu berücksichtigen.

Bildergebnis für pentagon
Nüchterne Realisten, zumindest auf Arbeitsebene
2) Während die öffentliche Diskussion zu diesem Thema gerne in Katastrophenszenarien schwelgt (allen voran Harald Welzer), befassen sich die Militärs mit den praktischen Problemen, die auf sie zukommen werden, wie auf viele andere Institutionen eben auch. Höhere Temperaturen stellen zum Beispiel andere Anforderungen an Soldaten und Material. Wie stellt man also sicher, dass Transport- und Waffensysteme auch zukünftig zuverlässig funktionieren bzw. dass die Soldaten mit den höheren Temperaturen klarkommen? Die Infrastruktur ist durch den Klimawandel gefährdet. Wenn etwa der Asphalt zu weich wird, was bereits vorgekommen ist, können Flugzeuge nicht mehr starten, ganz egal, wie wichtig das in dem Moment vielleicht wäre. Wenn eine Marinebasis wie die in Norfolk/Virginia durch einen Supersturm wie Sandy und anschließende Überflutung getroffen wird, ist nicht nur die US-Marine vorübergehend teilweise außer Gefecht, es könnten auch Milliardenwerte an Material verloren gehen. Davor muss man sich schützen. Oder, das US-Militär geht davon aus, dass es in Zukunft vermehrt zu internationalen Katastropheneinsätzen herangezogen wird. Welche personellen/organisatorischen/materiellen Fähigkeiten braucht man hierfür? Was in den Überlegungen hingegen nur eine untergeordnete Rolle spielt, sind die apokalyptischen Konfliktszenarien, die sonst gerne diskutiert werden. Von einer durch den militärisch-industriellen Komplex gesteuerten Versicherheitlichung der Klimapolitik zugunsten der Streitkräfte kann zumindest auf dieser Basis keine Rede sein (so, etwas überspitzt zusammengefasst, Omnid Nouripour vor einigen Jahren in der Zeitschrift Internationale Politik). Weniger Drama und mehr Alltag, lässt sich auf Basis der Veröffentlichungen des Pentagon und der US-Streitkräfte die Diskussion vielmehr zusammenfassen.

Sandy von oben
Klimawandel passiert und wird die gesamte Gesellschaft noch vor große praktische Herausforderungen stellen. Naturgemäß auch das Militär. Wie könnte es anders sein?

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