12. Juli 2016

Rigaer Str. 94

Der Eigentümer der Rigaer Str. 94, eine Investment-Gesellschaft mit Sitz in London, möchte zwei Wohnungen im Hinterhaus umbauen, braucht dafür aber Polizeischutz, weil die Arbeiter bedroht und an ihrer Tätigkeit gehindert werden. Die Polizei rückt an und hat seit Ende Juni eine recht starke Dauerpräsenz im bzw. um das Haus aufgebaut. Daraufhin ziehen 2.000 Demonstranten, viele gar nicht aus Berlin, durch Friedrichshain und – so alle Medienberichte – greifen die die Demonstration begleitende Polizei mit Steinen und anderen Gegenständen an. Über 100 Polizisten verletzt, die linke Szene in Kampfeslaune gegen das System, die übrigen Anwohner in der Rigaer Straße haben die Schnauze voll und wollen eine Lösung durch Reden, die Bezirksbürgermeisterin sagt, ja, man müsse über alles (!) sprechen, der Innensenator lehnt Gespräche aus prinzipiellen Erwägungen ab und hat den ihm eigentlich nicht sehr wohlgesonnenen Regierenden Bürgermeister dabei auf seine Seite gezogen, im Moment weiß keiner, wie es weitergeht. So ungefähr die Lage am Montagabend.

Es wäre jetzt kindisch, so zu tun, als könne man jetzt alle Ansprüche und Sichtweisen in Ruhe abwägen, um dann sine ira et studio die richtige Lösung verkünden. Wie man die Situation um die Rigaer Straße findet, was man wie gewichtet, das hängt von der eigenen politischen Einstellung ab, und die fällt ziemlich unterschiedlich aus.
In meinem Falle bedeutet das a) eine linksliberale Grundeinstellung, aber auch b) die Überzeugung, dass die staatliche Ordnung dieses Landes ein hohes Gut ist und nicht zur Disposition gestellt werden kann. Als Hobbesianer (siehe frühere Posts) bin ich natürlich der Meinung, dass der mit dem Gewaltmonopol ausgestatte Staat zwar keine hinreichende, aber ganz sicher eine notwendige Bedingung ist, den seinen zerstörerischen Impulsen sonst freien Lauf lassenden Menschen zum Frieden zu zwingen.

Vor diesem Hintergrund kann ich zwei der immer wieder geäußerten Thesen des Innensenators ganz gut verstehen. Die erste ist: das Recht ist nicht verhandelbar. Dieser Satz gilt für die gesamte Rechtsordnung. Man kann sich nicht aussuchen, welche Bestandteile der derzeit gültigen Rechtsordnung man befolgt oder nicht. Wenn man mit etwas nicht übereinstimmt, gibt es in diesem System bestimmte Verfahren, wie man Rechtsvorschriften ändern kann und das Faustrecht gehört nicht dazu. Niemand, nicht Linke, nicht Rechte, nicht Promis, nicht Unternehmen und übrigens auch nicht die Organe des Staates selbst stehen über dem Recht. Das ist eine riesige zivilisatorische Errungenschaft. Nun sieht unser Staat das Recht auf Eigentum vor, auch bei Investment-Gesellschaften, es ist also nicht akzeptabel, dass eine Gruppe von Leuten beschließt, dass sie daran nicht zu halten brauche bzw. ihren Willen zur Not auch mit Gewalt durchsetzen dürfe (O-Ton: „kein Stein fliegt ohne Grund“).

Die zweite These ist der Vergleich zwischen Links und Rechts. Der Innensenator trifft aus meiner Sicht ins Schwarze, wenn er darauf hinweist, dass manche hier mit unterschiedlichen Maßstäben messen. Würde es sich um eine Gruppe von Rechten handeln, die eine Flüchtlingsunterkunft besetzt halten, Instandsetzungsarbeiten zu verhindern versuchten und gewalttätig demonstrierten, wenn ihnen das nicht gelingt, gäbe es die ganze Diskussion nicht. Es wäre auch niemals die Rede von Runden Tischen, bei denen man über einfach alles sprechen müsse, usw. Und das ist auch richtig so, es gibt aber keinen Grund, nunmehr auf dem linken Auge blind zu sein.

Am Ende gibt es m.E. also tatsächlich nicht besonders viel, über das man reden könnte. Das braucht die betroffenen gesellschaftlichen Kräfte selbst, d.h. Anwohner, Eigentümer und Linksautonome nicht davon abhalten, unter sich irgendeine Lösung zu finden, wenn das möglich ist. Das liegt allein an ihnen selbst, niemand hindert sie daran. Der Senat kann da auch einbezogen werden. Auch die Polizei vor Ort muss natürlich mit allen Beteiligten reden und deeskalieren, wo immer das geht. Sie muss deshalb auch nicht wegen jeder Kleinigkeit gleichsam den Schlagstock ziehen oder den Staatsanwalt einschalten. Anders als die Linksautonomen das sehen, ist der Staat aber nicht Partei, sondern Hüter und Garant der Spielregeln dieser Gesellschaft. Am Ende, wenn es hart auf hart kommt, gilt also die Rechtsordnung und es ist Aufgabe der Polizei sie durchzusetzen. Das ist keine Verhandlungssache mehr.

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