Der Eigentümer der Rigaer Str. 94, eine Investment-Gesellschaft mit Sitz in London, möchte zwei Wohnungen im Hinterhaus umbauen,
braucht dafür aber Polizeischutz, weil die Arbeiter bedroht und an ihrer
Tätigkeit gehindert werden. Die Polizei rückt an und hat seit Ende Juni eine
recht starke Dauerpräsenz im bzw. um das Haus aufgebaut. Daraufhin ziehen 2.000
Demonstranten, viele gar nicht aus Berlin, durch Friedrichshain und – so alle
Medienberichte – greifen die die Demonstration begleitende Polizei mit Steinen
und anderen Gegenständen an. Über 100 Polizisten verletzt, die linke Szene in
Kampfeslaune gegen das System, die übrigen Anwohner in der Rigaer Straße haben
die Schnauze voll und wollen eine Lösung durch Reden, die
Bezirksbürgermeisterin sagt, ja, man müsse über alles (!) sprechen, der Innensenator
lehnt Gespräche aus prinzipiellen Erwägungen ab und hat den ihm eigentlich
nicht sehr wohlgesonnenen Regierenden Bürgermeister dabei auf seine Seite
gezogen, im Moment weiß keiner, wie es weitergeht. So ungefähr die Lage am
Montagabend.
Es wäre jetzt kindisch, so zu tun, als könne man jetzt alle
Ansprüche und Sichtweisen in Ruhe abwägen, um dann sine ira et studio die
richtige Lösung verkünden. Wie man die Situation um die Rigaer Straße findet, was
man wie gewichtet, das hängt von der eigenen politischen Einstellung ab, und
die fällt ziemlich unterschiedlich aus.
In meinem Falle
bedeutet das a) eine linksliberale Grundeinstellung, aber auch b) die
Überzeugung, dass die staatliche Ordnung dieses Landes ein hohes Gut ist und nicht
zur Disposition gestellt werden kann. Als Hobbesianer (siehe frühere Posts) bin
ich natürlich der Meinung, dass der mit dem Gewaltmonopol ausgestatte Staat zwar
keine hinreichende, aber ganz sicher eine notwendige Bedingung ist, den seinen zerstörerischen
Impulsen sonst freien Lauf lassenden Menschen zum Frieden zu zwingen.
Vor diesem Hintergrund kann ich zwei der immer wieder
geäußerten Thesen des Innensenators ganz gut verstehen. Die erste ist: das
Recht ist nicht verhandelbar. Dieser Satz gilt für die gesamte Rechtsordnung.
Man kann sich nicht aussuchen, welche Bestandteile der derzeit gültigen
Rechtsordnung man befolgt oder nicht. Wenn man mit etwas nicht übereinstimmt,
gibt es in diesem System bestimmte Verfahren, wie man Rechtsvorschriften ändern
kann und das Faustrecht gehört nicht dazu. Niemand, nicht Linke, nicht Rechte, nicht
Promis, nicht Unternehmen und übrigens auch nicht die Organe des Staates selbst
stehen über dem Recht. Das ist eine riesige zivilisatorische Errungenschaft. Nun
sieht unser Staat das Recht auf Eigentum vor, auch bei Investment-Gesellschaften, es ist also nicht akzeptabel, dass
eine Gruppe von Leuten beschließt, dass sie daran nicht zu halten brauche bzw. ihren
Willen zur Not auch mit Gewalt durchsetzen dürfe (O-Ton: „kein Stein fliegt ohne
Grund“).
Die zweite These ist der Vergleich zwischen Links und
Rechts. Der Innensenator trifft aus meiner Sicht ins Schwarze, wenn er darauf
hinweist, dass manche hier mit unterschiedlichen Maßstäben messen. Würde es
sich um eine Gruppe von Rechten handeln, die eine Flüchtlingsunterkunft besetzt
halten, Instandsetzungsarbeiten zu verhindern versuchten und gewalttätig
demonstrierten, wenn ihnen das nicht gelingt, gäbe es die ganze Diskussion
nicht. Es wäre auch niemals die Rede von Runden Tischen, bei denen man über einfach
alles sprechen müsse, usw. Und das ist auch richtig so, es gibt aber keinen
Grund, nunmehr auf dem linken Auge blind zu sein.
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