14. August 2016

Fitnessarmbänder, Liberalismus und Sozialdemokratie

Habe mir kürzlich ein Fitness-Armband gekauft (Fitbit Charge HR). Die Dinger sind offenbar nicht unumstritten. Wenn wir mal das Unbehagen abziehen, das manche Leute generell gegenüber Selbstvermessung und -kontrolle zu verspüren scheinen, scheint es mir im Wesentlichen zwei Gründe zu geben, den Gebrauch eines solchen Armbandes kritisch zu sehen.

Erstens Datenschutz. Ist in der Tat problematisch, weil die Daten in eine Cloud hochgeladen werden, und eine echte Kontrolle darüber im Grunde unmöglich ist. Das ist vor allem dann unschön, wenn die Daten plötzlich irgendwie gegen einen selbst verwendet werden, z.B. durch Krankenkassen. Inwieweit das möglich ist oder sogar schon passiert, bin ich überfragt. Ohne Einwilligung des Betroffenen würde es aber gegen die informationelle Selbstbestimmung verstoßen, was nicht hinnehmbar ist.

Zweitens Solidarität. Manche Leute leben gesund, andere nicht. Krankenkassen könnten die einen belohnen und die anderen … nun, jedenfalls nicht belohnen. Fitnessarmbänder sind ein einfacher Weg, einen gesunden Lebenstil überprüfbar zu machen. Im Ergebnis würden nicht mehr alle dasselbe zahlen, sondern Tarife würden mit Rücksicht auf das Verhalten des einzelnen gestaltet, die Gesund-Lebenden würden also nicht mehr für die Raucher oder Bewegungsmuffel mitzahlen.

Hiermit habe ich weniger Schwierigkeiten, jedenfalls solange es um den Bereich geht, über den jeder selbst verfügen kann. Niemand wird gezwungen, ungesund zu leben, es ist eine individuelle Lebenstilentscheidung.
Warum sollten andere nun umgekehrt gezwungen werden, für die Kosten dieser Entscheidung mit aufzukommen? Solidarität scheint hier nur in eine Richtung zu gehen, und zwar in die falsche. Mein Gefühl ist, die Gemeinschaft gibt allen, so weit möglich, die gleichen Startchancen (Bildung, Ausbildung), sichert einen vor den schlimmsten Lebensrisiken ab (Arbeitslosigkeit, Krankheit usw.) und hilft einem auch wieder hoch, wenn man mal auf die Schnauze fällt, also z.B. durch Umschulung in ein anderes Berufsfeld. Ansonsten ist jeder erst mal für sich selbst verantwortlich. Und wer dann absehbar blöde Entscheidungen trifft, muss halt mit den Konsequenzen leben, jedenfalls können dann nicht andere verdonnert werden, diese Blödheit mit aufzufangen.


So ein Fitnessarmband bringt einen also ruckzuck zur Frage, wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen. Die Position, die ich vertrete, würde ich als linksliberal beschreiben – der Staat ist unverzichtbar (gleiche Startchancen, Existenzabsicherung), Menschen sind ansonsten aber frei, ihr Leben selbst zu gestalten und dementsprechend auch für sich selbst verantwortlich. Den sozialdemokratischen Ansatz, wonach wir alle eine große Zwangsgemeinschaft sind, in der jeder auf alle mögliche Weise für die anderen aufkommt, lehne ich völlig ab. Wir sind zuallererst Individuen, mit je eigenen Werten, Wünschen usw. und jeder soll die Möglichkeit haben, auf eigene Fasson glücklich zu werden. Für andere sind wir dabei nicht zuständig, es sei denn freiwillig. Diese Grundstruktur sollten Staat und Gesellschaft widerspiegeln. 

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