25. August 2016

Sicherheitsdebatten in Deutschland



Dass die letzte Anschlagsserie des IS in Europa nunmehr wieder einige Wochen her ist, sollte uns nicht beruhigen. Der IS verfügt über etwa 7.000 europäische Kämpfer, noch mehr Sympathisanten, nimmt weiter jeden Monat viele Millionen ein und ist bisher nicht dadurch aufgefallen, dass er irgendwelche Grenzen bei der Ausübung von Gewalt kennen würde. Es wird zu weiteren Anschlägen kommen, darunter vermutlich auch zu solchen mit vielen Opfern

Grund genug, dass wir uns wappnen. Und hier beginnen m.E. die Probleme. Unser Innenminister ist in der letzten Woche mit zwei Vorschlägen hervorgetreten, nämlich der Gesichtserkennung auf Bahnhöfen und Flughäfen sowie dem vagen Wunsch, irgendwie auf verschlüsselte Kommunikation von Terroristen zugreifen zu können. Was ist davon zu halten?

Gesichtserkennung setzt voraus, dass Videoaufnahmen mit Datenbanken abgeglichen werden. Entscheidend ist mithin nicht die Videokamera im Bahnhof, sondern die Frage, zu welchem Zeitpunkt mit welchem Datensatz die Aufnahmen verglichen werden sollen.
Da Gesichtserkennung vermutlich präventiven Charakter haben soll, wäre es sinnvoll, alle sog. Gefährder in diese Bilddatenbank aufzunehmen. Wenn dann z.B. drei Extremisten plötzlich am Flughafen Frankfurt auftauchen, würde man die dortigen Sicherheitskräfte benachrichtigen, damit diese eine Überprüfung vornehmen oder so etwas. Zu diesen Fragen hat sich de Maizière nicht geäußert, tatsächlich hat er überhaupt nicht zu erkennen gegeben, dass er sich dieses Zusammenhangs bewusst ist, möglicherweise nur um die übliche gesellschaftliche Empörung zu vermeiden.

Ähnlich wischiwaschi ist die Diskussion zur Verschlüsselung verlaufen. Während vor zwei Tagen noch jeder den Eindruck hatte, Berlin und Paris wollten die Anbieter von Kommunikationsdiensten zwingen, verschlüsselte Kommunikationsinhalte unter bestimmten Voraussetzungen Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen (so wie beim Streit des FBI mit Apple, siehe frühere Posts), ist das Innenministerium gestern gleich wieder zurückgerudert und konnte sich nur noch zu folgender Aussage durchringen

Wir wollen gute Praxis und innovative Ideen im Umgang mit verschlüsselter Kommunikation im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen austauschen und so Hindernisse bei der staatlichen Abwehr terroristischer Gefahren minimieren.

Eine Schwächung der Verschlüsselung, Einbau von sog. Back Doors oder dergleichen sei ausdrücklich nicht gewollt. Aber was wollen sie denn dann? Wie will man an verschlüsselte Inhalte sonst rankommen? Lagert man die Überwachung einfach an die NSA aus? Oder geht das Innenministerium davon aus, dass es seinen Bundestrojaner nach Belieben auf jedes Gerät spielen kann und deshalb keine Hilfe von Herstellern oder Anbietern braucht? Ist das nicht etwas optimistisch, um nicht zu sagen, realitätsfern?

Ob und inwieweit diese Maßnahmen hilfreich wären, kann ich noch nicht beurteilen. Und natürlich kann man in der Abwägung unterschiedlicher Meinung sein. Mir geht es heute mehr um den Charakter der Debatte in Deutschland. Wir trauen uns nicht an die harten Fragen. Die Politik traut sich nicht, und die Öffentlichkeit traut sich auch nicht, sondern verbleibt reflexhaft bei pauschaler Ablehnung von jedweder technischer Aufrüstung bei den Sicherheitsbehörden bzw. Ausweitung von deren Kompetenzen. Stattdessen diskutieren wir erregt über Burkaverbote, als ob das auch nur das Geringste gegen Terrornetzwerke nutzen würde. Wenn wir mehr Sicherheit haben wollen, wird das etwas kosten, nicht nur Geld, sondern mehr Aufwand im täglichen Leben und auch mehr Überwachung. Sind wir bereit, das zu akzeptieren oder sind wir es nicht? Irgendwie scheint der Konsens aber zu sein, dass wir mehr Sicherheit haben wollen und sich sonst nichts ändern soll. Und unsere Politiker schmeißen irgendwelche Schlagworte in den Raum, machen aber überhaupt nicht den Eindruck, als hätten sie die damit verbundenen Sachfragen wirklich durchdacht. Das ist zu wenig. 15 Jahre nach 9/11 wird es allmählich Zeit, erwachsen zu werden.

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