Dass die letzte Anschlagsserie des IS in Europa nunmehr wieder
einige Wochen her ist, sollte uns nicht beruhigen. Der IS verfügt über etwa
7.000 europäische Kämpfer, noch mehr Sympathisanten, nimmt weiter jeden Monat viele
Millionen ein und ist bisher nicht dadurch aufgefallen, dass er irgendwelche
Grenzen bei der Ausübung von Gewalt kennen würde. Es wird zu weiteren
Anschlägen kommen, darunter vermutlich auch zu solchen mit vielen Opfern
Grund genug, dass wir uns wappnen. Und hier beginnen m.E. die
Probleme. Unser Innenminister ist in der letzten Woche mit zwei Vorschlägen
hervorgetreten, nämlich der Gesichtserkennung auf Bahnhöfen und Flughäfen sowie
dem vagen Wunsch, irgendwie auf verschlüsselte Kommunikation von Terroristen
zugreifen zu können. Was ist davon zu halten?
Gesichtserkennung setzt voraus, dass Videoaufnahmen mit
Datenbanken abgeglichen werden. Entscheidend ist mithin nicht die Videokamera im Bahnhof,
sondern die Frage, zu welchem Zeitpunkt mit welchem Datensatz die Aufnahmen verglichen werden sollen.
Da
Gesichtserkennung vermutlich präventiven Charakter haben soll, wäre es sinnvoll,
alle sog. Gefährder in diese Bilddatenbank aufzunehmen. Wenn dann z.B. drei
Extremisten plötzlich am Flughafen Frankfurt auftauchen, würde man die dortigen
Sicherheitskräfte benachrichtigen, damit diese eine Überprüfung vornehmen oder
so etwas. Zu diesen Fragen hat sich de Maizière nicht geäußert, tatsächlich hat
er überhaupt nicht zu erkennen gegeben, dass er sich dieses Zusammenhangs
bewusst ist, möglicherweise nur um die übliche gesellschaftliche Empörung zu
vermeiden.
Ähnlich wischiwaschi ist die Diskussion zur Verschlüsselung
verlaufen. Während vor zwei Tagen noch jeder den Eindruck hatte, Berlin und
Paris wollten die Anbieter von Kommunikationsdiensten zwingen, verschlüsselte
Kommunikationsinhalte unter bestimmten Voraussetzungen Sicherheitsbehörden zur
Verfügung zu stellen (so wie beim Streit des FBI mit Apple, siehe frühere
Posts), ist das Innenministerium gestern gleich wieder zurückgerudert und
konnte sich nur noch zu folgender Aussage durchringen
Wir wollen gute Praxis
und innovative Ideen im Umgang mit verschlüsselter Kommunikation im
Zusammenhang mit terroristischen Aktionen austauschen und so Hindernisse bei
der staatlichen Abwehr terroristischer Gefahren minimieren.
Eine Schwächung der Verschlüsselung, Einbau von sog. Back
Doors oder dergleichen sei ausdrücklich nicht gewollt. Aber was wollen sie denn
dann? Wie will man an verschlüsselte Inhalte sonst rankommen? Lagert man die Überwachung einfach an die NSA aus? Oder geht das
Innenministerium davon aus, dass es seinen Bundestrojaner nach Belieben auf
jedes Gerät spielen kann und deshalb keine Hilfe von Herstellern oder Anbietern
braucht? Ist das nicht etwas optimistisch, um nicht zu sagen, realitätsfern?
Ob und inwieweit diese Maßnahmen hilfreich wären, kann ich
noch nicht beurteilen. Und natürlich kann man in der Abwägung unterschiedlicher
Meinung sein. Mir geht es heute mehr um den Charakter der Debatte in
Deutschland. Wir trauen uns nicht an die harten Fragen. Die Politik traut sich
nicht, und die Öffentlichkeit traut sich auch nicht, sondern verbleibt
reflexhaft bei pauschaler Ablehnung von jedweder technischer Aufrüstung bei den
Sicherheitsbehörden bzw. Ausweitung von deren Kompetenzen. Stattdessen
diskutieren wir erregt über Burkaverbote, als ob das auch nur das Geringste
gegen Terrornetzwerke nutzen würde. Wenn wir mehr Sicherheit haben wollen, wird
das etwas kosten, nicht nur Geld, sondern mehr Aufwand im täglichen Leben und
auch mehr Überwachung. Sind wir bereit, das zu akzeptieren oder sind wir es
nicht? Irgendwie scheint der Konsens aber zu sein, dass wir mehr Sicherheit
haben wollen und sich sonst nichts ändern soll. Und unsere Politiker schmeißen
irgendwelche Schlagworte in den Raum, machen aber überhaupt nicht den Eindruck,
als hätten sie die damit verbundenen Sachfragen wirklich durchdacht. Das ist zu
wenig. 15 Jahre nach 9/11 wird es allmählich Zeit, erwachsen zu werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen