„Heimat“ ist ein gefühlsschwerer, aber unklarer Begriff. Es
ist vor allem ein Ort, und zwar einer, den man gut kennt, wo man sich
aufgehoben und sicher fühlt und mit dem sich wichtige Erinnerungen verbinden.
Es ist ein Ort, der für die eigene Identität wichtig ist, wo sich sozusagen die
eigene Identität mit der Umwelt verbindet.
Ich persönlich kenne sowas nur sehr eingeschränkt, kann mir
aber vorstellen, dass es eine schöne Sache ist. Heimat hat aber auch so seine Probleme.
Zunächst einmal ist es ein eher statisches Konzept. Wenn sich die Umwelt
ändert, geht Vertrautes zwangsläufig verloren. Heimat muss so bleiben, wie sie
ist, sonst, sonst kann sie schließlich nicht Heimat sein. Die meisten Leute
wollen das nicht. Allerdings ist das lebensfremd. Alles verändert sich,
meistens nach und nach, manchmal auch abrupt, das ist mit der Heimat nicht
anders. Erlebt man Heimat nun als etwas besonders Wichtiges, dann ist es ganz natürlich,
gegen diese Veränderungen zu sein, vor allem gegen starke Veränderungen. Der Wunsch
nach Heimat hat also inhärent etwas Konservatives, Veränderungsaverses,
vielleicht sogar Modernitätsfeindliches.
Zum zweiten ist es unmöglich, Heimat inhaltlich festzulegen.
Was für den einen Heimat ist, muss es für den anderen noch lange nicht sein. Für
den einen sind es vielleicht die Eltern und die alten Freunde, für den anderen mehr
bestimmte Speisen oder eine bestimmte Landschaft. Die Akzente können da sehr
unterschiedlich ausfallen. Dieser Umstand führt zu der paradoxen Konsequenz,
dass im Zuge der politischen Instrumentalisierung von Heimat diese nicht offen
und pluralistisch, sondern normativ verstanden wird. Heimat soll das und das
sein, vor allem – und das ist viel wichtiger – soll sie anderes nicht sein. Wer
da nicht mitgeht, ist dann angeblich gegen Heimat. Dieses Argumentationsmuster
findet sich bevorzugt – aber nicht nur (ich denke an die Linken in Kreuzberg,
die auch gerne einen bestimmten Entwicklungsstand des Stadtteils normativ
festschreiben möchten) – auf der rechten Seite, die sich selbst gerne zum Hüter
des Heimatbegriffs ernennt. Heimat
verbindet sich dort – z.B. – oft gerne mit Brauchtum, bestimmten
Geschlechterverhältnissen, aber auch mit ethnischer Reinheit. Diese inhaltliche
Bestimmung des Heimatbegriffs soll dann allen anderen oktroyiert werden, so als
sei es selbstverständlich.
Sehr schön. Aber die Norm für alle? Quelle: Wikimedia Commons |
Beide Merkmale des Heimatbegriffs, das Statische und das
Normative, führen dazu, dass der Begriff „Heimat“ sehr anfällig für einen
oppressiven, autoritären Gebrauch ist. Dabei wird ein einfacher Umstand meist gerne
übersehen: niemand hindert jemanden daran, die Dinge zu leben, die für diese Person
Heimat ausmachen. Niemand hindert mich daran, alte Freunde zu besuchen, Dialekt
zu sprechen, regionale Gerichte zuzubereiten, Wanderungen in der Landschaft zu
unternehmen usw. Die Verwendung des Begriffs „Heimat“ richtet sich aber beinahe
durchweg nach außen, an andere. Es geht darum, dass andere bestimmte Dinge nicht tun sollen, weil das angeblich meine Heimat kaputt macht, und zwar
ganz unabhängig von der Tatsache, dass mir niemand verwehrt, Heimat nach
Herzenslust auszuleben. In diesem Land wird z.B. niemand daran gehindert, in
die Kirche zu gehen, zu beten usw. Nur wenige tun es. Plötzlich wird aber so
getan, als sei das christliche Abendland bedroht, weil andersgläubige Menschen
in unser Land kommen. Es geht also gar nicht darum, dass man nicht seine
Religion praktizieren könnte, sondern darum, dass man verhindern möchte, dass
andere einen anderen Glauben praktizieren. Dafür holt man den Heimatbegriff
raus und erklärt, dass wir so bleiben möchten, wie wir sind – was wiegesagt
niemand in Frage stellt – und dass deshalb andere bestimmte Dinge nicht tun
sollen bzw. generell unerwünscht sind. Noch ein Beispiel: In vielen deutschen
Städten gibt es Straßen, in denen sehr viele ausländische Restaurants sind, was
manche Deutsche stört. Nun verlangt niemand von ihnen, dass sie dort Essen
gehen, es verbietet ihnen auch niemand, nach Herzenslust Bratwurst und Bier zu
verzehren. Trotzdem sind sie dagegen, dass solche Restaurants überhaupt da
sind, weil man sich nicht mehr wie in Deutschland fühle. Dasselbe Muster, ihnen
wird nichts weggenommen, aber sie sind dagegen, dass andere anders leben als
sie selbst bzw. dass sie überhaupt da sind.
So gesehen hat Heimat eine ziemlich finstere Seite. In der
politischen Instrumentalisierung des Begriffs ist es nichts schönes, sondern
ein Mittel zur Kontrolle der Umwelt. Es ist ein Totschlagargument, um Wandel zu
verhindern und Uniformität herzustellen, es ist im Grunde ein totalitärer
Begriff, der jegliche Abweichung ausschließen möchte.
Natürlich ist das nur eine Seite. Heimat kann immer noch
dieses Vertraute, Aufgehobene ausdrücken. Dann ist es wirklich eine schöne
Sache. Aber nicht, wenn es in die politische Diskussion eingeführt wird.
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