Die Slow-Food-Bewegung zählt sich zu den Kräften des Guten
auf dieser Welt. Und gegen Kochen mit frischen Zutaten statt Fertiggericht aus Mikrowelle
sowie Genuss am Essen und Trinken generell ist auch nichts zu sagen. Positiv auch
die Ablehnung der Massentierhaltung, die allerdings nur theoretisch bleibt,
solange der Slow-Food-Restaurantführer vorwiegend Restaurants empfiehlt, die
Fleisch aus herkömmlicher Quälhaltung verarbeiten.
Anderes ist dagegen reaktionär und weist Parallelen zu
rechten Positionen auf. Das beginnt mit der Traditionspflege.
Was alt ist
(Rezepte, Gemüsesorten usw.), ist erstmal gut und muss bewahrt werden. Warum?
Nun, weil es eben alt ist, d.h. aus einer Zeit kommt, in der die Globalisierung
noch nicht alles durcheinandergewirbelt hatte und als noch traditionell gekocht
und gegessen wurde, mehr braucht es erstmal nicht als Nachweis von Qualität.
Das erinnert ein wenig an die nostalgische Haltung von „es gibt sie noch, die
guten Dinge“. In der Tat ist SF so etwas wie das Manufactum des Essens. Ständig
wird eine idealisierte Vergangenheit beschworen, die mehr in der Einbildung
existiert als dass es sie wirklich gegeben hätte. Bewusstsein dafür, dass es je
nach sozialer Schicht und Epoche völlig konträre Traditionen gibt, kann
man bei SF nicht finden. Faktisch sucht man sich willkürlich einen Zeitraum und
eine Tradition aus, die als Bezugspunkt dienen, bei SF in Deutschland dürfte es
grob gesagt die bürgerliche Küche zweite Hälfte 19./erste Hälfte 20. Jahrhunderts sein, also etwa Kaiserzeit bis 1945. Danach bewegen wir uns bereits im Bereich
der Innovation und Verwässerung. In Italien ist es vermutlich eher die ländliche
Küche ärmerer Schichten. Kulturen anderer Epochen bzw. Schichten, in denen
der Speisezettel völlig anders aussah, z.B. die höfische Küche des 18.
Jahrhunderts gelten nicht als traditionell. Tradition hat also auch etwas mit
Willkür zu tun, nicht mit Tradition. Doch selbst wenn es nicht so wäre, wenn es also eine tatsächliche genuine homogene Tradition gäbe, bleibt immer noch die Frage, was
daran jetzt besser sein soll als an zeitgenössischer Küche von panasiatisch bis
molekular. Irgendwas sollte doch inhaltlich besser sein, wenn man es fördern
will, denkt man sich. SF aber denkt anders, dort ist alt gleich gut. Diese automatische Gleichsetzung ist reaktionär.
Noch fragwürdiger als dieser unkritische Bezug zur
Vergangenheit ist der Regionalitätskult. Hier gilt zunächst ein ähnliches
Prinzip. Was regional ist, ist gut (es kann noch so grauenhaft sein), also
fördert man Restaurants und Projekte, die sich in Zutaten und Rezepten der
Regionalität verschrieben haben. Dieser Ansatz kann überraschende Blüten treiben.
Im Nobelhart und Schmutzig, einem
Berliner Sterne-Restaurant, das sich konsequent der regionalen Küche
verschrieben hat, gibt es keinen Pfeffer mehr, er kommt schließlich nicht aus Berlin-Brandenburg.
Die Reaktion ist eine Schnecke (Quelle Wikimedia Commons) |
Werfen wir aber einen Blick nach rechts. Denn da gibt es
Gemeinsamkeiten. Vertreter rechten Denkens sind der Meinung, dass alles, was
der eigenen Nation zuzuordnen ist, prinzipiell Vorrang genießen sollte. Die
Bewegung der Identitären z.B. vertritt die Ansicht, es gebe unterschiedliche
nationale Kulturen, die zu pflegen und zu erhalten sind. Abzulehnen ist die
Integration fremder Elemente aus anderen Kulturen. Kultur ist etwas, das
sortenrein bleiben soll. SF macht genau dasselbe, nur auf regionaler Ebene.
Eine durch Innovation und Importe als bedroht wahrgenommene Kultur soll durch
Abschottung bzw. gezielte Maßnahmen zum Artenschutz vor Veränderung bewahrt
werden. In beiden Fällen wird die angebliche nationale bzw. regionale Kultur
als normativ gesehen. In beiden Fällen wird diese Kultur außerdem als bedroht
wahrgenommen, sei es durch Innovation, sei es durch
Integration fremder Einflüsse. Einer Haltung, für die das Regionale/Nationale
keinen Wert an sich darstellt, sondern sich sozusagen dem Wettbewerb mit dem
Neuen zu stellen hat (was gut ist, bleibt, der Rest kann vergehen), kurz einer
weltoffenen, liberalen Haltung, steht der SF/Identitären-Ansatz damit völlig
entgegen. Auch SF arbeitet letztlich auf dem Gebiet der Identitätspolitik.
SF kommt aus einer linken Tradition, die Identitären gehören
zum rechten Rand. Die Ähnlichkeit der
Perspektiven ist dennoch kein Zufall. Rechts wie links haben eine Gemeinsamkeit,
nämlich den Antiamerikanismus. Das Böse kommt aus Washington. Antiamerikanismus
umfasst allerdings mehr als nur eine Ablehnung der USA. Es beinhaltet auch Antikapitalismus,
Antiglobalisierung sowie einen gewissen kulturellen Hochmut gegenüber den USA. Genau
darin liegt auch der Ursprung von SF, das aus einem Protest gegen die
amerikanische Fast-Food-Kultur entstanden ist, so als ob es kein europäisches
Fast Food von der Pizza bis zur Bratwurst gebe (dies aber traditionell, also
gut). In diesem Gebräu vom Hochmut bis zur Liberalismusfeindlichkeit kommen
links wie rechts harmonisch zusammen. Und auch SF gehört im Grunde zu den
Kräften, die gegen eine offene Gesellschaft, und sei es nur im Bereich des
Essens, arbeiten.
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