Ich weiß nicht, ob „postfaktisch“ wirklich das geeignete Wort
ist, um die in der Tat offensichtliche Veränderung des politischen Diskurses zu
beschreiben. Anders als in den letzten Tagen zu hören war, geht es ja nicht um Gefühle statt
Tatsachen, im Gegenteil, es geht nach wie vor um Tatsachen, um nichts anderes. Die
AfD, Pegida, Trump, Russia Today usw. werfen mit (angeblichen) Tatsachen nur so
um sich. Sie behaupten, dass Flüchtlinge überdurchschnittlich kriminell sind,
dass sie nie für den Irak-Krieg waren oder dass russische Mädchen in
Deutschland vergewaltigt worden sind und keine Hilfe von den Behörden bekommen
haben. Alles Sachverhalte, deren Wahrheit behauptet wird. Mit anderen Worten,
die schlimmsten Vertreter des postfaktischen Diskurses bewegen sich ganz klassisch auch
weiterhin in einem Diskurs, der rein faktenorientiert ist.
Wie geht man mit dieser Irrationalität am besten um? Es gibt
nur einen Weg: man zerrt sie vor das unbarmherzig gleißende Licht der Vernunft.
Wenn etwa behauptet wird, die Kriminalität von Flüchtlingen sei höher als von
Deutschen, verweist man auf die Statistiken des BKA. Wird dem die Anerkennung
verweigert, fordert man das Gegenüber auf seine eigenen Behauptungen zu belegen
bzw. zu erklären, welche Beweise man hat, dass das BKA neuerdings Daten fälscht
usw. Das ist mühsam und wird in vielen Einzelfällen sicherlich auch keinen Erfolg
haben, aber man macht es den Irrationalen schon ziemlich schwer. Sie können
nicht einfach alles unwidersprochen in die Welt setzen. Deshalb muss man sie stellen,
und man muss dann auch ganz offen aussprechen, dass sie Unsinn reden, Dinge frei
erfunden haben oder ihre Thesen auf inkohärenten Prämissen aufbauen usw.
Dieser respektlose Spötter war auch nicht bereit, die Klappe zu halten, wenn er auf Dummheit und Lüge traf. Voltaire (Quelle Wikimedia) |
Ich finde es ziemlich wichtig, dass man das tut.
Irrationalität ist in der Tat wieder mal zu einer Waffe für ganz trübe Zwecke
geworden. Dagegen muss man sich mit aller Kraft wehren, jede/r von uns, die/der
sich dem Programm eines freien, kritischen Denkens, kurz: der Aufklärung,
verpflichtet fühlt. Denn wenn wir diesen Kampf verlieren, steht zu befürchten,
dass wir sehr bald überhaupt nicht mehr frei denken und vor allem sprechen
können. Dann können die Herrschenden behaupten und tun, was sie wollen, ohne
befürchten zu müssen, dass jemand ihre „Wahrheiten“ genauer prüft. Wie gut das
funktioniert, kann man heute in Russland, der Türkei oder Syrien sehen. Von
früheren Beispielen ganz zu schweigen.
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